Excerpt from Chrysalis, reading in Carioca, Vienna, November 2013
Stetig treibe ich den breiten Besen vor mir her. Begleitet vom sanften Kratzen der Borsten ziehen wir hypnotisierende Bahnen durch das Blutwassergemisch. Seit Stunden umfängt mich dieser Raum mit seinen verschleierten Erinnerungen an den Vorabend. Die Anweisung lautet, den Steinboden von seinem süßlichen Überguss zu befreien.
Draußen steht die Sonne im Zenit und ich bin erst beim dritten Durchgang! Saal Zwei, der größte der drei Festsäle, ist ein nimmer enden wollendes und äußerst schweißtreibendes Unterfangen. Unzählige Kübel mit Wasser hab ich schon reingeschleppt, über den blutverkrusteten Marmor ausgeleert und das seichte Gemisch dann mit rhythmischen Schwüngen Richtung Abflussrinnen gewälzt. Diese Rinne lenkt den Blutwasserstrom ins Freie, wo er sich teilt und verästelt und schließlich die gesamte Orangenplantage mit feinen, sich schlängelnden Bahnen durchkämmt. Aus den Rinnenlöchern tritt das Blutwasser in die Erde und versickert. Geht die Arbeit nicht zügig voran, bekommen die Bäume an den äußeren Rändern der Plantage zu wenig von dem nährenden Gemisch.
Mir ist nur aufgetragen, die Säle nach ihrer Benutzung ausgiebig zu reinigen. Was nachts hier drinnen vorgeht, weiß ich nicht, da die Erschöpfung mich in tiefen Schlaf sinken lässt. Wessen Blut ich wohl wasche? Außer den Schmetterlingen und ihren Eiern finden sich kaum Tiere.
Ja, die Riesenschmetterlinge sind hier mit mir, aber die arbeiten nicht. Sie können keinen Besen halten. Oder vielleicht doch, aber ihn schwingen und damit kehren wohl nicht.
Während ich an eine Mauer gelehnt pausiere und auf die Bundfalten meiner graublauen Bermudashorts hinabblicke, wie sie knapp über meinen Knien enden, tauchen Erinnerungen an meinen Heimattrichter auf und zerren am Herzmuskel. Derart komisch war ich in Sanhortus doch nie angezogen! Woher diese Hosen aus dem Geräteschuppen ursprünglich wohl stammen? Meine eigenen waren nach dem langen Flug mit den Schmetterlingen total zerfetzt.
Sind meine Knie nicht irgendwie breiter, plumper und meine Waden stämmiger als früher? Wenn ich die Zehen Richtung Schienbein ziehe, ist ein lauter Knacks zu hören. Fröstelnd vollführe ich immer wieder diese Bewegung. Die Knöchel fühlen sich unbekannt und steif an. Ich rolle die Shorts hoch. Ja, die Schenkel sind geschwollen. Oder – werden meine Beine kürzer!?
Im weißen Steinboden von Saal Zwei gibt es allerhand feine Löcher, in denen sich winzige Mengen an Blutwassergemisch sammeln. Ich muss sie mit dem Besen leeren, aber andauernd schlüpfen Teile der ekligen Flüssigkeit unter den Kunststoffhaaren hindurch und fließen zurück ins Konkave. Manche Löchlein bleiben hartnäckig randvoll und heben sich dunkel gegen den Marmorboden ab. Im Knien blase ich das Gemisch heraus. Das tägliche Pensum ist erst erreicht, wenn sich dort ausschließlich durchsichtiges oder gar kein Wasser mehr zeigt. Dann werde ich aus dem hohen Steinsaal stolpern und auf meine Matratze fallen. Stunden später wird mich einer der Schmetterlinge mit pelzigem Rollrüssel wecken und mir Nektar und Trinkwasser aus dem Brunnen reichen. Bald nicke ich wieder ein, denn ich brauche viel Schlaf. Nie zuvor hab ich mich so langsam erholt!
Neben einem schiefen Orangenbaum, dessen Früchte besonders herrlich saftig sind, befindet sich mein Schlafplatz. Früh morgens schlürfe ich ihr zartes, triefendes Fruchtfleisch. Das bringt mich halbwegs auf Trab. Nachmittags tragen mir die Schmetterlinge mitunter ein Stück Fleisch zu, Lamm oder Hase. „Woher habt ihr das?“ Sie wollen es nicht verraten.
Die Schmetterlinge schwören, ich hätte keinen Deut an ursprünglicher, hochgewachsener Eleganz eingebüßt. Darf ich den Lingen überhaupt noch vertrauen? „Tolle lange Beine!“, deuten sie seit ein paar Tagen wiederholt.
An das Leben im zerstörten Trichterbau zu denken, tut mir weh. In Sanhortus hatten meine Beine im Vordergrund gestanden. Wo immer ich vorbeikam, begrüßten mich die Leute freudig: „Hast du aber schöne lange Beine! Unvergleichlich!“ Dann fragte ich: „Wollt ihr mich laufen sehen?“ Sie sagten, mein Lauf hätte etwas Leichtfüßiges, Gazellenhaftes, Anmutiges. Das war im Heimattrichter gleichbedeutend mit höchster Anerkennung. Alle wussten auch von meiner Gabe, mich selbst nach argen Verletzungen wieder zusammenzubauen und diese heilende Funktion auf andere Menschen auszudehnen.
Nachdem die Sandmassen die ausgeklügelte Architektur des Sanhortus eingedrückt hatten und sämtliche Spiegelsysteme und die oberen Stockwerke zusammengebrochen waren, entkamen nur wenige dem enormen Sog. Er riss ihnen die Füße unter dem Leib weg und zog sie mit in die Tiefe.
Verletzten, die es an die Erdoberfläche geschafft hatten, konnte ich, bevor mich die Schmetterlinge wegtrugen, noch helfen. Auf ihren Rücken gesprungen hatte ich geschraubte Saltos vollführt und dabei Flüssigkeit in ihre Wunden gespieen. Das Krachen von eingerenkten Knochen war zu hören, Wimmern ging über in erleichtertes Seufzen.
Auf den Besen gestützt dehne ich jetzt mein Rückgrat. Flaute im Hirn. Seit dem Aufenthalt im Orangengarten erhalte ich Instruktionen auf eine andere Weise. Die Befehle werden nicht wie früher lautlos von außen in mich hineingejagt, sondern in mir selbst produziert und direkt im Nervensystem festgehakt. Morgens beim ersten Augenöffnen schießen sie die Wirbelsäule hinauf und verteilen sich von dort aus in die Körperperipherien. Nachts verstreben sie meinen Kopf wie ein innerer Helm und ich werde zu einem unnützen traumlosen Klumpen.
Sanhortus kannte ich in- und auswendig. Meine Missionen führten in die abgelegensten Winkel. Hier hab ich nicht einmal den gesamten Orangengarten abgeschritten. Das Gelände ist erstaunlich weitläufig.
Kann das Kehren nicht wer anderer erledigen? Ich versteh nicht, warum man mich nicht für wichtigere Dinge einsetzt! Noch nie bin ich mir dermaßen nutzlos vorgekommen.
Mit angespanntem Nacken auf dem glatten Rand der Abflussrinne nächst der Steinmauer sitzend taste ich den polierten Marmor ab. Auf den Handrücken sind einzelne Venenbahnen stark hervorgetreten. Und während ich die Füße auf dem gegenüberliegenden Rinnenrand abstütze, fließt das Blutwasser zäh dahin. Plötzlich stolpert mein Herz und ich beschließe, von nun an die Länge meiner Beine anhand der Mauer zu messen. Also tauche ich den Zeigefinger ins Blutgemisch, stelle mich auf den Rinnenrand und zeichne neben meinem Hüftgelenk eine hauchdünne waagrechte Linie auf den Marmor.
Übrigens sieht man die Riesenschmetterlinge in letzter Zeit nie fliegen. Sie sind runder geworden. In der Tat, die schönen Tiere haben ihre leichtfüßige Flatterhaftigkeit verloren und kriechen langsam, fast unbeholfen. Ihre Flügel scheinen merkwürdig klein. „Geht es euch gut, Schmetterlinge?“
Trächtig sind sie längst nicht mehr, denn ihre handballgroßen gelblichen, in Traubenform angeordneten Eier haben sie ja in Astgabeln der Orangenbäume hinter Saal Eins abgelegt. Hie und da während meiner Arbeitspausen bin ich dort, um sie anzuschauen.
Haben die Schmetterlinge ihre Kost verändert? Seit unserem Aufenthalt im Garten sehe ich ihre Dreimeterkörper über Blüten und Früchte der Orangenbäume geneigt, von denen sie natürlich eine Unmenge ausschlürfen. Mit ihren zugespitzten Saugrüsseln stechen sie durch die Orangenschalen und ein einziges Einsaugen leert sodann die Frucht. Eigentlich umgibt mich dieses scharfe Sauggeräusch unentwegt. Ist es jetzt nicht erstaunlich leise? Ich trete aus dem Saal Eins und betrachte den Boden – unter den Abfällen der Schmetterlinge befinden sich keine frischen Orangenschalen.
Eigenartig, heute sind meine Beine zwei Zentimeter länger als gestern Abend. Indem ich einige Meter von der Wand zurücktrete, lasse ich das Bild auf mich wirken. Insgesamt bietet sich doch eine deutliche Abwärtsbewegung. Trist schlurfe ich zum Brunnen, ziehe einen Kübel rauf und lasse das lauwarme Wasser die Kehle hinabrinnen. Kommen Sauggeräusche von unter der Erde, oder täusche ich mich? Den engen Brunnenschacht hinabspähend lausche ich. „Linge, wo seid ihr?“ Gedämpfte Geräusche von unterhalb der Erde dringen ans Ohr. „Wie kommt ihr eigentlich dort runter? Ist euch draußen zu heiß?“
Untertags sind die Schmetterlinge also kaum mehr zu sehen. Abends scharen sie sich dann eng aneinander. Feuchte Erdbrocken haften an ihren Pelzen. Auf meine Fragen und Bitten geben sie keine Antwort und ihre riesigen Facettenaugen blicken mich ruhig und, wie ich meine, liebevoll an. Auch legen sie mir ab und zu noch Nektar auf Blättern hin. Ansonsten finden sich keine Berührungspunkte. Wie die Schmetterlinge unter die Erde gelangen, krieg ich einfach nicht raus. Es muss irgendwo ein großes Loch geben, einen Eingang, einen Tunnel. Inzwischen ahne ich aber, was die Rieseninsekten dort unten treiben. Auf ihren verwachsenen Oberkiefern und am Rüsselschaft lassen sich rote Flecken entdecken, also saugen sie wohl Blutgemisch aus der Erde.
Wegen der Kürze der Beine ist mein Gesicht beim Kehren nun dem Blutwasser unheimlich nahe. Ich habe es satt, ständig diese süßliche Ausdünstung zu inhalieren. Und die Unausgewogenheit zwischen Arm- und Beinlänge ist so störend, dass sich meine Arbeit in den Sälen nicht mehr mit einem normalen Besen verrichten lässt, der Besenstil ist zu lang. Flache Bürsten sind nun meine Geräte. Wankend steuere ich auf mein Lager zu und lasse mich bäuchlings fallen. Zu erschöpft, das Gesicht aus dem stinkigen Matratzenmaterial zu heben, atme ich schwer mit halb offenen Augen. Ich muss fort von hier! Innerlich taste ich nach dem Status der Instruktionsklammer im Nacken. Mit der Zeit lerne ich, ihre unterschiedlichen Intensitäten zu beobachten.
Früh am nächsten Morgen öffne ich verwundert die Augen, weil ich mich leicht und relativ kräftig fühle. Übermütig springe ich auf die im Vergleich zu den Beinen nun extrem großen Füße, um geradlinig vom Kopfende der Matratze aus einen ungewohnten Weg einzuschlagen. Mein Nacken fühlt sich angenehm entspannt an. Und der Auftrag lautet heute ganz anders. Ich soll diesen Ort so schnell wie möglich verlassen! Bald geraten meine Beinchen in einen rudernden Lauf. Die Arme jedoch schleifen am Boden, wenn ich sie nicht in die Hüften stemme oder sonst wie verstaue. Durch die entschiedene Bewegung aus dem Garten hinaus biegt sich die Nackenklammer auf und ihr Halt im Nervensystem wird gelockert. Unvermutet rasch öffnet sich auch mein Gesichtsfeld. Jeder Meter, den ich hinter mich bringe, lässt mich zwanzigmal weiter aus dem Garten hinaussehen. Die Wege aus der Plantage führen an Gruppen verstreut schlafender Schmetterlinge vorbei, die sich in pelzige Kugeln zusammengerollt haben. Wir sind auf einer Anhöhe, von sanften Hügeln umgeben. Und jetzt ist auch die eingrenzende Umzäunung rund um den Orangengarten zu erkennen.
Excerpt from Chrysalis, reading in K-Salon, Berlin, May 2010
Sie haben von Ihrem Arzt Kapseln verschrieben erhalten, die Ihr Arzt als geeignetes Medikament zur Behandlung Ihrer Erkrankung und Verbesserung Ihres Gesundheitszustandes erachtet. Halten Sie sich bitte genau an die Anordnung Ihres Arztes, damit dieses Präparat seine ganze Wirksamkeit entfalten kann. Liebe Patientin, lieber Patient! Die Informationen in der Gebrauchsanweisung sind bewusst ausführlich und deutlich formuliert und dienen damit Ihrer Sicherheit. Tisa liest leise weiter. Der Holzofen knuspert und knackst.
Bei versehentlicher Einnahme besonders großer Mengen von Kapseln können Vergiftungserscheinungen auftreten. Diese äußern sich in Bauchschmerzen, Durchfall, Erbrechen, blauroter Färbung der Lippen infolge Sauerstoffunterversorgung, Verwirrtheit und übermäßiger Steigerung der Atmung.
„Barmelain!“ „Ja?“ „Morgen will ich Bohnen.“ Die beiden Freundinnen sitzen Hand in Hand nebeneinander. Eine angenehme Wärme durchglüht ihre Körper. „Gut. Iss jetzt, und hier ist dein Vitaminwasser.“ Sie zeigt auf ein Glas, das eine entsetzliche sprudelnde, grell orangenfarbene Flüssigkeit enthält. „Sonst bekomm ich Skorbut.“ Xüla greift nach dem Glas, schwenkt es und riecht. Die schmerzlindernde Wirkung der Brausetabletten Prastosten tritt rascher auf als bei nicht brausenden Tabletten. „Ihr wisst ja, ich hab dieses Buch über die verlorenen Seeleute gelesen. Verloren im Pazifik. Sie drifteten monatelang im Meer. Ihre fiebernden Körper wurden schwächer und schwächer. Sie bluteten. Die Seeleute robbten durch Blutlachen und über die toten Körper ihrer Kameraden. Sie wanden sich in ihrer eigenen Scheiße. Längst hatten sie alle Kontrolle über ihre Körper aufgegeben. Mit zahnlosen fauligen Mündern lechzten sie nach Vitamin C. Könnt ihr euch diese Schmerzen vorstellen?“ Barmelain: „Natürlich nicht. Trink jetzt lieber.“ Xüla nimmt einen Schluck aus ihrem phosphoreszierenden Glas. Dann hält sie sich tapfer die Nase zu und kippt den gesamten Inhalt ex in ihren Schlund ohne zu schlucken, lässt ihn einfach durchrinnen.
Für den Bruchteil einer Sekunde sieht Tisa an ihrer Freundin hinunter. Dann befeuchtet sie sich mit der Zunge ihren entsetzlich trockenen Gaumen und leckt die Lippen. Xüla streicht über ihren Kopf. Die Krabbe ist weg.
Plötzlich erinnert sich Xüla an die Dosierungsanleitung und die Art der Anwendung von Lexitax. Es wird in einer einmaligen Tagesdosis verabreicht. Die Tabletten können mit etwas Nahrung eingenommen werden. Erwachsene und größere Kinder: Die Dosis beträgt insgesamt 1,5 g und sollte über 3 oder 5 Tage verteilt verabreicht werden. Bei Infektionen im Genitalbereich genügt 1g bei einmaliger Einnahme. Zur Vorbeugung von durch Mycobacterium avium intracellulare ausgelösten Infektionen bei Aids-Patienten genügt eine 1,2 g Dosis pro Woche.
Innerlich nach dem Begriff avium intracellulare suchend geht sie rüber zum Bücherstapel und nimmt das obenauf liegende medizinische Handbuch: Der Hausdoktor.
Xüla erreicht den Atlantik. Gemütlich lässt sie sich mit der Strömung über das Kontinentalschelf treiben. Im Schwebeflug überblickt sie üppige Algenfelder, eine überaus reichhaltige Substanz, die in Milch übergeht. Schädigungen bei Säuglingen sind bisher nicht bekannt geworden. Um zu schlafen wickelt sie sich in die langarmigen Gewächse ein und schaukelt gleichsam als Unterwasserboje inmitten des bewegten Grüns. Schon nach kurzer Zeit wird ihr die taktile Überstimulation lästig, denn sie entwickelt eine allergische Reaktion auf den Blasentang. Es bilden sich kleine Erhebungen auf geröteter Haut.
Die großzügige Vegetation verebbt, der Meeresboden fällt ab. Xüla taucht tiefer und tiefer, indem sie den Windungen durch die Bergketten folgt. In komplette Dunkelheit gehüllt segelt sie durch eisige Höhlen und verworrene Gräben. Nahrung ist knapp. Ab und zu erhascht sie eine durchsichtige Garnele. „Bin ich alleine? Wo ist die Krabbe?“ Die Krabbe hat sich längst ihren Weg nach innen gebohrt und wartet dort auf ihren nächsten Austritt. Und wo sind die Quallen? „Du“, flüstern sie ihr zu, „dein Gehirn wird an einzigartigen neuronalen Verbindungen arbeiten. Dein Kopf wird vor lauter Synapsenschlüssen sprühen. Du wirst dich ruhig und leicht fühlen. Setz dich bitte hin und atme regelmäßig. Wir werden jetzt augenblicklich einige zuverlässige hauchdünne Feuerfäden applizieren.“ Aus dem Erdinnersten schießen sie in den Kopf hinein. Sie dringen durch die Schädeldecke, punktieren die Hirnhäute und bahnen sich ihren Weg durch die weichen Hirnmassen. Die Fäden schlingen und lodern in alle Richtungen, schließen und öffnen dabei elektrische Kontakte, brennen feine Kurven durch Schläfen, Hinterhaupt und Stirnlappen, durch die Großhirnrinde, das Zwischenhirn, das Mittelhirn und die Gehirnbrücke. Dort beschreiben sie ein unwiderrufliches Muster an biogenen Strukturen, Wohnstätten, Mini-Habitate. „Dein Bauch wird über freundliche Seegurkenherden streifen. Die embryonalen Kiemen sind schnell re-installiert.“
„Ich atme unter Wasser.“
Zwischen den Beinen, den Zehen, zwischen Torso und Armen und zwischen den Fingern haben sich transparente Schwimmhäute gebildet. Aus dem Kreuzbein sprießt eine Art Rückenflosse. Ein aufblasbarer Sack ist auch Teil des Körpers geworden. Er befindet sich auf dem Rücken und tariert das Gewicht im Wasser aus.
„Ich schwebe.“
Der Drang, die Freundin Tisa wiederzufinden, hat sich verflüchtigt. Xüla fühlt sich glücklich und kennt keine andere Sehnsucht als ewig weiterzuschwimmen, ewig so dahinzugleiten. Ihr Körper pflügt durch die Wassermassen. „Ich dringe durch das Wasser. Ich öffne das Wasser vor mir und es schließt sich hinter mir. Die einzige Saat, die ich streue, sind Exkremente, die, abhängig von der jeweiligen Dichte, unter Wasser bleiben oder an die Wasseroberfläche auftreiben.“ Sie hinterlässt kaum eine Spur. Ihre Haut ist aufgedunsen. Die Tiere, auf die sie trifft, staunen nicht schlecht. Noch nie haben sie einen so seltsamen Fisch gesehen.
„Ich habe keine Angst.“
Die Fische an der Küste klagen über Beschwerden im Unterleib, Schwindel, Erregung, Aggressivität und Angst. Die Frühsymptome, die bei Fischen auftreten, die eine übermäßige Dosis an Pranciton zu sich genommen haben, äußern sich durch Übelkeit, Erbrechen, Appetitverlust, Bauchschmerzen und heftiges Schwitzen. Weiters kann es zu einer Verringerung der Biolumineszenz, des Leuchtstoffes Luciferin, kommen. Tiefseefische sind unter Umständen so stark beeinträchtigt, dass sie die Fähigkeit, Beute anzulocken beziehungsweise Tiere abzuschrecken, über den Zeitraum von bis zu 3 Tagen nach der letzten Einnahme verlieren.
„Ich werde in die abyssale Fauna vordringen!“
Die Freundinnen haben sich umgezogen und sitzen nun auf den dreibeinigen Holzhockern. Barmelain trocknet ihr langes Haar mit einem großen gelben Handtuch. Vornüber gebeugt lässt sie den Kopf zwischen den Beinen hängen, sodass ihre Haarspitzen den Boden berühren. Pralis hat ein Bein über das andere geschlagen und ihr Fuß wippt nervös auf und ab. Draußen hämmert ein nicht enden wollender Regensturz auf die Vegetation ein. Er verschlammt die Erde. Seit Tagen hämmert das Wasser gegen die Außenwände ihres hölzernen Caravans. Voll Ärger haben sie diese Tage hinter verschlossenen Türen und Fenstern verbracht. Jeweils morgens und spät nachmittags muss eine von ihnen nach draußen, um neues Brennholz zu holen. Normalerweise, bei klarem Himmel, genießen die Frauen die Aufgabe, denn es macht sie fühlen, wie naturverbunden sie leben. Das Holz ist nun feucht geworden trotz der dicken Plastikplane, in die sie den stetig schrumpfenden Stapel einpacken. „Was machen wir, wenn es kälter wird und der Regen Schnee ist? Der wird uns total zuschneien. Wir haben doch gar keine Schaufeln!“, hat Xüla gestern von sich gegeben. Pralis irritiert die zunehmend ängstlichere Färbung in der Stimme ihrer Freundin.
„In eurem gleitenden Halbschlaf nehmt ihr gar nicht wahr, dass sich vor uns ein weiteres riesiges Becken auftut! Wie in Trance folgen wir dem Steilhang abwärts und tauchen in einen hunderte Meter tiefen Graben hinab. Zahlreiche leuchtende Lebewesen kommen auf uns zu. Wir suchen taumelnd einen Platz, um uns auszuruhen und finden einen geschützten Bereich unter einer Gesteinsfalte. Das Wasser ist schwarz. Das Wasser verhält sich träge. Es herrscht absolute Stille. Es ist, als würden dem Wasser die Augen zufallen, so schwer ist es. Es liegt aufgehäuft auf dem Grund, gegen die Felsen gepresst. Kleinräumig dreht es sich sanft von einer Seite auf die andere, ansonsten bleibt es unbewegt. Es strömt nicht. Wir sind Teil dieses Beckens und sind Teil des kalten schwarzen Wassers.“
Da überkommt mich eine knochentiefe Erschöpfung. Ich fühle mich lautlos gefangen gehalten, kann nicht mehr weiter, liege auf dem Meeresboden. Wie ein Magnet haftet mein Körper an der Erdkruste und um mich schweben Riesenkraken. Ich nehme einen Schluck aus meinem phosphoreszierenden Glas. „Reiß dich zusammen!“, faucht Pralis. „Wachhalten! Atembefehle! Atemhilfe!“
Hier steht: „Selbst wenn das Risiko ziemlich gering ist, wird - wie für alle Arzneimittel - empfohlen, die Einnahme von Mycosistan im ersten Drittel der Schwangerschaft zu unterlassen. Um Muskelschwäche, niedrige Temperatur oder Atemschwierigkeiten bei Neugeborenen zu vermeiden, sollte die Einnahme auch im letzten Drittel der Schwangerschaft unterbleiben. Von der Anwendung des Produktes während der Stillzeit wird ebenfalls abgeraten.“ Tisa spielt mit den Fingern in ihrem dunkelbraunen Haar. Barmelain beugt sich nach vorne über und schaut auf die leeren dreibeinigen Holzhocker. Tisa leidet unter Spasmen der Gallengänge und während sie die Ellenbogen auf die Schenkel stützt, geht Pralis genervt hinter ihr auf und ab. „Wenn ein Asselkrebs mich etwas bezüglich des Textes in der Packungsbeilage fragen will, werde ich ihn einfach verschlingen!“ Wir stellen fest, dass die kognitive und sensorische Leistungsfähigkeit sich wellenartig verändert.
„So, ihr Lieben! Ich mach mich weiter auf den Weg. Ich will heute noch zum Marinengraben!“ Die Anglerfische und Teleskopaugenfische nicken wohlwollend. Ja, Pralis ist euch wohl doch eine Nummer zu groß! Mit größter Wahrscheinlichkeit würden nach der Verdauung des Körpers von Pralis Leber- und Gallenblasenerkrankungen und Morbus Crohn ulcerosa auftreten. Xüla trifft in der Karibik einen Taucher, der bei ihrem Anblick an Hyperventilation stirbt. Ein angenehmer Tod. „Ich halte mich lieber von den Küstenregionen fern.“ Sie verspürt keine Lust, sich mit diesem Menschen auseinanderzusetzen, und versucht nicht, ihn zu retten, sondern gleitet weiter. „Ich bin kein Mensch.“
Keuchend bringen sie das nasse Brennholz ins Wageninnere. Auf dem Holzofen steht schon der Kochtopf bereit. Bald werden die Frauen die gekochten Kartoffeln zu sich nehmen, sie brav mit Butter und Öl versehen, kauen und dann andächtig schlucken. Wir sind ja so froh, dass sie diese einfache Kost genießen können. Die gekochte Kartoffel schmeckt nämlich jeden Tag ein bisschen anders. Der Freundinnen Getränk besteht ausschließlich aus abgekochtem Regenwasser, nicht einmal Teebeutel gibt es. Barmelain besteht nach wie vor darauf, dass alle täglich eine mit Vitaminen und Mineralien angereicherte Brausetablette in ihr Wasser werfen. Sie hat drei Schachteln davon in dem Wegwerflager hinter einem großen Supermarkt gefunden. Das Datum ist zwar abgelaufen, aber wie sollten diese künstlichen Vitamine denn verderben? Und da auch sie Geschichten von Seefahrern der alten Zeit gelesen hat, über Seeleute, die ihre Route verfehlt und nur noch Wasser und Zwieback vorrätig hatten, die an fatalem Vitaminmangel litten, Skorbut hatten, wobei ihnen die Zähne aus den Mündern faulten und mit dumpfem Ton auf die salzigen Schiffsböden fielen, war Barmelain gewarnt. „Das soll meinen Freundinnen nicht passieren! Diese drei Vitaminschachteln sind uns sehr gelegen gekommen.“
Nach dem Kartoffelfraß wird Xüla ihre täglichen Übungen vollführen. Meist wartet sie eine Stunde, bevor sie sich in die bekannten und doch stets als neu erfahrenen Positionen begibt. Es sind Positionen, die Teile ihres Körpers öffnen und durchlüften. Xüla arbeitet besonders an den Körperpartien, die sich über die letzten Jahre hin verschlossen, verspannt und verklebt haben, so dass sie fast unerreichbar geworden sind. „Es wird Jahre dauern, wenn nicht den Rest meines Lebens, um diese Körperteile wieder voneinander zu lösen, den Klebstoff aufzuweichen und die Muster zu sortieren”, denkt Xüla. Sie ist entsetzlich müde. Tisa ist auch müde, jedoch erschöpfen sie andere Phänomene des Lebens. Sie spricht kaum darüber. Mit hohlen Augen starrt sie auf Pralis Kopf, der runterhängt.
Nach einer Weile erhebt sich Xüla, und öffnet die kleine Metalltür, um Holz nachzulegen. In gebückter Haltung schiebt sie ein Holzscheit nach dem anderen in den roten Bauch des Ofens, dann schließt sie die Metalltür sorgfältig. Tisa stützt ihre beiden Arme auf die Hüftknochen und sieht sich nach Mico um. „Was nun?“ sagt Barmelain. „Ich weiß es nicht.“ „Was tun, wenn's nicht aufhört zu regnen? Was tun, wenn wir alle Bücher gelesen haben?“ „Vielleicht sollten wir doch versuchen, irgendwie in die Stadt zu kommen um zu erfahren, ob dort noch Menschen existieren.“ „Die Stadt ist einen Tagesmarsch weit entfernt. Bei dem Schlamm sind unsere Fahrräder unbrauchbar. Und wer weiß, ob dort draußen überhaupt noch was funktioniert.“ Xüla setzt sich unwillig auf ihren Holzhocker. „Schlamm ist gut! So hoch wie das Wasser schon steht, kann man bald in die Stadt schwimmen.“ „Und was geschieht, wenn wir Herzrhythmusstörungen oder sonst was bekommen? Ohne Telefon oder Internet sind wir total aufgeschmissen!“ „Ja, und das Kind braucht unbedingt neues Papulsurgat!“ Nach Tabletten greifend entrüstet sie sich: „Wir sind echt in der Klemme!“ und schluckt rasch, indem sie den Kopf in den Nacken wirft. „Glaubt ihr, die große Apotheke in der Stadt hat geöffnet? Ich bin eine gute Schwimmerin. Ich würd rüberschwimmen.“ Niemand antwortet.
Pralis holt eine Gabel aus der Bestecklade, nimmt den Deckel vom Topf und sticht in eine Kartoffel. „Scheiße, die brauchen ja ewig.“
„Ich weiß nichts. Ich hab ein Gedächtnis wie ein Sieb und kann nicht klar denken. Bitte seid ehrlich. Glaubt ihr, ich hab eine Depression?“ „Nein”, raunt Mico. „Wir können ja im Hausdoktor nachschlagen, was die präzisen Symptome für Depression sind.“ „Mico? Liest du mir inzwischen bitte die Nebenwirkungen von Licrovest vor?“
„Also: Unerwünschte Nebenwirkungen hängen von der Dosis und der Empfindlichkeit des Patienten ab: Verlangsamung des psychischen Prozesses, Muskelschwäche, Schwindel und Rauschgefühl, Gedächtnisstörungen. Da steht dann: siehe Warnhinweise: Achtung! Licrovest kann Ihre Fähigkeit zur aktiven Teilnahme am Straßenverkehr oder Bedienung von Maschinen beeinträchtigen. Und weiter bei den Nebenwirkungen: Bei einigen Patienten wurden paradoxale Reaktionen wie Reizbarkeit, Aggression, Übererregung, Oneirismus (die Träume betreffend) und Halluzinationen beobachtet. Willst du, dass ich alles lese?“ „Ja sicher!“ Bei Überempfindlichkeit wurden Reaktionen, wie zum Beispiel Anigioödeme, Urticaria und Ekzem, festgestellt. Makulopapuläre Hautausschläge mit Juckreiz sind ebenfalls möglich. In Ausnahmefällen führen diese Ausschläge bis zu Hautnekrose. Bei abruptem Abbruch der Behandlung tritt gelegentlich ein Entzugssyndrom (siehe Warnhinweise) mit folgenden Symptomen auf: Leichte Störungen: Reizbarkeit, Angst, Muskelschmerzen, Zittern, Rückfall in Schlaflosigkeit, Alpträume, Übelkeit und Erbrechen, Kopfschmerzen. Außerordentlich schwere Störungen: Einzelne oder andauernde Konvulsionen mit Verwirrungssyndrom, das einige Tage danach auftreten kann und gewöhnlich durch leichte Störungen angekündigt wird. Wenn sich bei Ihnen unerwünschte Wirkungen zeigen, die in dieser Packungsbeilage nicht aufgeführt sind, informieren Sie Ihren Arzt oder Apotheker.“ „Was ist Oneirismus?“
„Mir ist schlecht. Der Ofen frisst alle Luft. Ich mach kurz die Tür auf.“ Barmelain öffnet die Doppeltür. Das Wasser steht längst bis zur zweiten Stufe vor der Schwelle ins Innere. Der Regen fällt mit solcher Härte! Es tut weh, strecken sie auch nur eine Fingerspitze nach draußen.
Die Positionen, die wir einnehmen werden, helfen uns, schwache und vernachlässigte Muskelstränge zu stärken. Die Haltungen werden, zusammen mit der richtigen Atmung, durch die Nase ein und aus, neue Verbindungen in unseren Körpern schaffen. Das Gehirn wird feine neuronale Veränderungen vornehmen. Wir werden uns ruhig und leicht fühlen, uns in Glücksgefühlen schwelgend ins Bett legen und Pralis liebevoll umarmen.
Xüla ist ermattet. Reglos sitzt sie da. Mit ausgehöhlten dunklen Augen blickt sie zu Tisa hinüber. Es juckt sie zwischen den Schenkeln. Mico bringt ihr einen Napf mit weiß Gott was. „Was ist das?“ „Reiß dich zusammen, Xüla! Du bist kein Kind mehr.“ „Was soll das sein?“ „Hier ist Öl und Salz. Iss jetzt.“ Xüla mantscht mit ihrer Gabel die Kartoffeln zu Brei. Mico kaut schon genüsslich. „Die Kartoffel schmeckt doch jeden Tag anders, findest du nicht?“, sagt sie mit vollem Mund. „Morgen will ich Bohnen. Wir haben doch ausgemacht, dass...“
„Xüla“, unterbricht Barmelain, „beweg dich nicht! Auf deinem Scheitel sitzt eine durchsichtige Krabbe.“ „Ich weiß, ich spüre sie.“ Sie schaut gelassen in Barmelains Gesicht. „Nicht ihr Gewicht, aber ihre Gegenwart. Wenn sie sich bewegt, murmle ich: Da ist sie wieder.“ Xülas Krabbe ist klein und durchsichtig. Sie hat in dieser Frau eine willige Gastgeberin gefunden. Die Krabbe haust in ihr und tritt nur selten hervor, um eine gewisse, wie es scheint, festgelegte Route zurückzulegen. Der erste für Xüla wahrnehmbare Ausgangspunkt ist ein kleines Stechen in ihrer Scheide. Erst wohl tiefer drin in der Vagina, gefolgt von einem langsamen Vorwandern in den Bereich der äußeren Schamlippen und des Schamhügels. Hier torkelt sie durch das wilde Gestrüpp der Schambehaarung, als suche sie nach etwas. Dann nimmt sie ihren Weg zielstrebiger auf, klettert über die Brücke zum behaarten Außenbereich des Anus und weiter seitwärts krabbelnd mit oberflächlichen Pieksern über das Kreuzbein und schließlich die Wirbelsäule entlang, außerhalb der Sichtweite Xülas, zum letzten Halswirbel hinauf, über den Hinterkopf zum Scheitel. Ihr Körper hat ungefähr den Durchmesser einer Walnuss. Diese Art von Krabben ist vielen bekannt, denn es handelt sich um eine einfache Perlkrabbe. Ob sie noch weiterwachsen wird, entzieht sich Xülas Urteil. „Ich hoffe, sie wird nicht größer.“ Barmelain starrt, das Gesicht voller Schweißperlen, in Xülas Kopfbehaarung, wo die Krabbe anscheinend in Deckung gegangen ist. „Ich weiß nicht, was für ein Name passt zu ihr?“ „Nein”, raunt Barmelain. „Tantra zum Beispiel, wäre doch hübsch, oder?“ „Was?“ „Weil sie aus meiner Scheide kommt... Scheide ist so ein unangenehmes Wort, aber Muschi oder Fut ist auch blöd, findest du nicht? Also, sie kommt von da heraus und geht dann rücklings, ich meine seitwärts. Sie kann auch Kopf voran krabbeln. Es ist lustig, ihre kleinen Beinchen wie kurze Nadelstiche zu spüren, wie bei einem Allergietest. Übrigens, weißt du, dass ich auf Latex allergisch bin?“
Barmelain ist aufgestanden und befindet sich nun mit vorgeschobener Hüfte und eingeknickten Beinen neben dem leeren Kochtopf. „Pass auf, dass du dich nicht verbrennst! Du stehst verdammt nahe am Ofen! In einer für dich unüblichen Körperhaltung, sonst neigst du ja eher zum Hohlkreuz. Was ist los mit dir?“ Barmelain sieht für den Bruchteil einer Sekunde an ihr hinunter und befeuchtet mit der Zunge ihre Lippen.
Die anfängliche Gelassenheit gegenüber angriffslustigen Lebewesen und anderen Gefahrenquellen hatte sich im Lauf der Schwangerschaft in einen Zustand extremer, spontan verfügbarer Reaktionsbereitschaft verwandelt. Xüla kann sich selbst und damit den Inhalt ihres Bauches bei jeder Gelegenheit verteidigen. Inzwischen hat das in ihr wachsende Wesen stetig seinen Anteil an Nahrung von ihrem Blutsystem abgezweigt. Sowohl der kleine als auch der ihn umschließende größere Körper waren durch die mangelhaften Fressmöglichkeiten erheblich geschwächt. Die Folgen sind Husten ohne klare Ursache, Schmerzen in der Brust, Atemnot, Sehverlust oder Doppeltsehen, Sprachstörungen, Schwindelgefühl und Bewusstlosigkeit.
Ich nehme meine Tochter bei der Hand. Wir schwingen langsam nach links und lächeln uns an. Nach einer Weile überfällt uns die Ahnung, dass sich jemand annähert. Zuerst taucht nur undeutlich ein großer Kopf auf, später der Körper. Ein riesiger, altertümlich anmutender Fisch. Ich erkenne, dass er einen Einsatz aus gemustertem Streifengewebe, buntes tropisches Material an der Schläfe trägt - eine Art Prothese? Aus Papageienfischgewebe, seitlich über dem Ohr. Gelb, grün, blau. Ich soll darauf hören, was mir dieser Fisch mitteilt. Kleinräumiges Schwingen nach links. Ich gebe das Zeichen. Wir rollen das linke Auge und deuten mit der dorsalen Flosse nach oben. Es ist eine schleichende Osmose, an der wir hier teilnehmen. Der Riesenfisch aus dem Devon verzieht spöttisch den Mund. Er scheint besonders hinterhältig. Wir befinden uns in einem Becken von gigantischem Ausmaß, und ich drehe und wende mich, um die Papageienfischprothese genauer zu betrachten.
„Dich kenne ich doch! Wir waren einmal zusammen am Strand und du hast gesagt, dass ich beruhigt ins Wasser gehen soll. Es sei eine ungefährliche Felsenküste, nicht zu viel Brandung. Daraufhin ging ich ins Wasser, es war wirklich harmlos. Viele freundliche Fische um mich herum. Als ich später noch einmal ins Wasser tauchte, war es furchtbar!“ Ich flüstere der Kleinen zu: „Draußen ist wahrscheinlich noch einer, getarnt als Mensch. Aber dieser Einschluss am Kopf ist doch so offensichtlich, so verräterisch. Glaub ihm kein Wort!“
Vielleicht sollte ich doch darauf hören, was der Fisch sagt. Vielleicht ist er gar nicht so bösartig? Bis jetzt hat er mich nicht angegriffen, bleibt in unserer Nähe. Zu nahe. Er meint, ich hätte damals nicht ein zweites Mal ins Meer springen sollen. Das weiß ich ja längst! Wie viele Versionen gibt es von hier drinnen, dem Becken? Kennst du denn keine Gesetze, an die ich mich halten kann? Werden Menschen auch gefressen? Nein, Menschen existieren noch nicht. Er warnt mich. Ich nehme die Kleine an der Hand. Wir schweben senkrecht und schwenken weiter nach links. Rückflip, Vorwärtsflip und weiter, diesmal Schwanzflosse, Hüfte, Kopf nach links. Wieder deuten wir mit der dorsalen Flosse nach oben. Aber was bedeutet Oben in solchen Tiefen? Der Fisch lässt sein Maul offen hängen.
Das kleine Mädchen zeigt nun kurze Isolationen der Milzregion. Es bewegt die linke Hüfte nach unten und dehnt gleichzeitig die linke Seite seines Oberkörpers nach oben. Diese und andere isolierte Bewegungen sind eine Spezialität im Tanz des Kindes. Ein Tanz, der natürlich in verschiedenen Körperteilen und unterschiedlichen Kombinationen ausgeführt werden kann. Das Kind verbindet die Milzisolation mit einer schwer zu erklärenden Handbewegung und einem kleinen Schritt des linken Beines nach vorne. Der Kopf zieht gleichzeitig mit einem Ruck nach seitlich links und wieder zurück. Durch das Öffnen und Präsentieren der Milzregion sendet es, abhängig vom jeweiligen Rhythmus, wichtige Leuchtsignale aus. Die Schläfenprothese aus tropischem Papageienfischgewebe wird bis ins kleinste Detail ausgeleuchtet.
Wir kriegen sehr verschiedenartigen Besuch hier unten. Die Tiefseequallen zum Beispiel. Sie schweben anmutig auf uns zu. Mit einer spielerischen Verbeugung begrüßen wir sie. Daraufhin lachen sie und lassen ihre hauchdünnen Fadententakel durch das Wasser peitschen. Sie feuern uns an. Die Quallen lieben unsere Tanzbewegungen. Warum tanzen die eigentlich nicht selber? Ihre Körper sind flink, leicht und beweglich. Sie bestehen fast zur Gänze aus Wasser und haben Lichterreihen, die in verschiedenen Farben funkeln. Das sind doch gute Voraussetzungen. Gespannte Ruhe.
Langsam schieben wir das Kinn Richtung Hals und lassen es in einem kleinen Halbkreis nach rechts außen schnalzen. Dann beschreiben unsere Nasen eine wellige Ab- und Aufbewegung und wir schrauben, Schwanzflosse voran, nach links und zischen gleich darauf horizontal durch das Wasser. Die Quallen huschen zur Seite und klatschen, als wir an einer Felswand stoppen. Dann überziehen wir den Meeresboden sukzessive mit kleinen Flossenhieben. Ich habe noch modifizierte Arme und Beine, meine Tochter schon echte Flossen. Die Kleine ist wie viele der Lebewesen hier durchsichtig und beleuchtet ihre eigene Anatomie. Wir ritzen sanfte Muster in den Untergrund. Vielleicht weckt das die Tiefseewürmer aus ihren Röhren? Weiter durch unsere seidige Umgebung tänzelnd bewegen wir uns langsam rückwärts, während uns die Quallen von unten beleuchten. Schließlich kommt doch noch Bewegung bei den Medusen auf. Sie pumpen hintereinander durch das Wasser, in Kreisformation. Wie Raketen zischen wir durch die Kreismitte senkrecht nach oben und sind schnell ins Dunkel verschwunden. Die Quallen warten auf unsere Rückkehr.
Nachts werde ich in meinen Stoff gewickelt. Zuerst war der Stoff ganz schwarz. Ich fand ihn, kurz bevor ich gebar. Gerade lag ich erschöpft in einer Felsspalte und ruhte mich aus. Als ich aufwachte, schwebte mein neugeborenes, noch etwas schwach leuchtendes Mädchen über mir. Wir waren über die Nabelschnur miteinander verbunden. Ich streckte meine Arme aus und zog sie an meine Brust hinunter. Durch das Leuchten der Kleinen entdeckte ich, dass wir uns zwischen zwei sich sanft wellenden Samtwänden befanden. Es war ein großes quadratisches Tuch, das längs der Diagonale mit Geröll beschwert am Boden haftete und sonst zu beiden Seiten auftrieb. Darin wickelte ich uns ein. Lange Zeit verweilten wir so unerkannt. Das Mädchen wuchs stetig und mit ihr die Leuchtkraft der Organe. Zuerst erschrak ich, als ich vage das Abbild einer ihrer Nieren auf dem Stoff wahrnahm und begriff, dass es sich um ein dreidimensionales Abbild handelte. Die Leuchtkraft dieses Kindes kann auf verschiedene Materialien übergehen. Es übertragen sich Form und Farbe, ohne dass der Körper dabei an Leuchtkraft verliert. Wie es scheint, ist die Luciferindrüse stark ausgebildet und äußerst produktiv. Bei Angstzuständen breiten wir den Stoff aus. Er beinhaltet Lebern, Milzen, Därme, Mägen, Herzen, Nieren, Gehirne, Gebärmütter, Eierstöcke in verschiedenen Größen, aus verschieden Lebensaltern des jungen Mädchens. Dieser Stoff macht viele spontan glücklich. Oder es entsteht eine Stille.
Während wir über dem Stoff tanzen, interpretieren die Medusen eifrig die Lage, Größe und Beschaffenheit der verschiedenen Organe. Sie raufen um eine gute Sicht. Ihre Tentakel sind die wichtigsten Werkzeuge ihres Berufsstandes. Sie sagen, sie konzentrieren sich auf das Innen und Außen zur gleichen Zeit. Denn das Innen sei das Außen. Wir tanzen über dem Stoff, stolpern über unsere Schwanzflossen und verkeilen uns ineinander. Eine der Nieren sei am falschen Ort! Die Quallen fragen mein Mädchen, ob sie nicht ihre Niere um ein Stück verschieben könne. „Wohin?“ „Von lateral links einen Hauch Richtung mediane Ebene und dann superior und posterior. Ein paar Millimeter nur.“ Doch da nähern sich die Anglerfische hastig und gierig wie immer. Sie protestieren. Denn wenn wir die Nieren verschieben, verändere sich die Lichtsituation in ihrem Revier. Sie machen eine Reihe an gefährlichen Drohgebärden. Wir haben keine Angst und tanzen weiter. Solange der Stoff entbreitet ist, kann niemandem etwas passieren. Wenn wir schlafen, wickelt die Kleine den Stoff um mich, damit auch ich leuchte. Mir fällt wieder ein, was der altertümliche Fisch noch verkündet hat. Nämlich, dass wir mit mehreren Verschiebungen rechnen müssten. Er nannte konkrete Organmanipulationen. Sie hätten weitreichende Auswirkungen, sogar etwaige klimatische Veränderungen in Indonesien.
Barmelain ruft nach dem Kind in die Nacht hinein. Ihre Augen suchen die Wasseroberfläche ab. Es gelingt nicht. Es ist zu dunkel und der Regen fällt so dicht, dass sie kaum etwas ausmachen kann. Die Kerzen im Inneren des Caravans geben nicht genug Licht. „Was soll ich tun?“ Verwirrt stolpert sie in ihrem möblierten Mobilhaus herum. „Ich such etwas. Ja, die Taschenlampe! Es gibt doch eine Taschenlampe für Notfälle. Das hier ist ein Notfall. Endlich!“ Hastig schaltet sie die Lampe ein.
Xüla steht auf der letzten Stufe, die Zehen im Wasser. Das Wasser war höher gekommen. Es steht bedenklich nahe an der Schwelle nach innen.
Am Abend trocknet Barmelain ihr schönes langes Haar mit dem großen gelben Handtuch und schwenkt ihre Haarspitzen über den Boden. Mico liest, ohne den Sinn der Wörter zu erfassen. Ihr Fuß wippt auf und ab. Vielleicht um das rhythmische Finale dieses Tages einzuleiten. Die Mägen knurren. Es ist Zeit fürs Abendessen. Der Holzofen knackst und faucht. Flammen züngeln in das Abzugsrohr. Tisa seufzt unmerklich. Pralis weiß nicht, was sie mit sich anfangen soll. Eine Art Wut überkommt sie momentan. Sie ist wütend auf Barmelain und ihren hängenden Kopf. Pralis will auch etwas hängen lassen, will aber nicht Barmelains hängenden Kopf kopieren. Ihre Wut wächst, ein Rausch von zwei Minuten, in dem eifersüchtige Gedanken durch ihr Gehirn sprühen. „Scheiße!“ murmelt sie, um Barmelains Aufmerksamkeit zu erregen. „Was ist los?“, fragt diese. Ihr Kopf hängt noch immer. „Ich will auch was hängen lassen!“ Da schnalzt Barmelain ihren Kopf und die halbtrockenen Haare mit einer schnellen Bewegung in weitem Bogen nach hinten. Sie sitzt aufrecht und blickt interessiert in die Gesichter der Freundinnen.
„Wie tief könnt ihr gehen?“, fragt sie. „Ich gehe so tief ich will. Der Druck des Wassers hat keinen bedrohlichen Einfluss auf mich. Ich sehe die Lockvögel der tiefsten Tiefen, wann immer ich will. Ich schwebe neben ihren leuchtenden Körpern. Sie stellen mir ähnliche Fragen wie du. Etwa, was ich von der Einnahme des Präparats Utragyn bei ungeklärten vaginalen Blutungen halte.“ „Und wie antwortest du darauf?“ „Nicht allzu ausführlich, natürlich.“
Xüla sieht für den Bruchteil einer Sekunde auf die embryotoxischelteratogene Wirkung in ihrem Bauch hinunter. Sie befeuchtet ihren trockenen Gaumen: „Auch der Tierversuch erbrachte keinen Hinweis....“ „Wo ist sie jetzt?“ „Noch am Kopf.“ „Willst du sie denn nicht loswerden? Ich könnte ein Glas drüberstülpen, sie fangen und dann, wie bei Nachtfaltern und Spinnen, was drunter schieben. Dann töten wir sie draußen mit Pluritan.“ Pralis erklärt Mico jetzt, dass solch ein Vorgehen ausgeschlossen sei. „Wir sind keine Kinder mehr, Mico!“ Mico erschaudert, denn sie sieht, wie sich die Krabbe aus dem Haardickicht hervorbewegt und ihre Beine langsam ausstreckt. Der Körper der Krabbe atmet mit ausgedehnten Beinen etwa einen Zentimeter über Xülas Kopf. Es scheint Mico, dass diese Krabbe mit ihren Kulleraugen direkt zurückschaut, sie beobachtet. Mico schreit auf: „Sie bohrt dich an! Das Vieh exerziert ganz eigenartige Manöver auf deinem Kopf! Die Scheren! Spürst du's nicht?“ „Doch, ja, ihre Bewegungen erscheinen mir funktional und einigermaßen routiniert. Wahrscheinlich ist sie also schon ausgewachsen.“ Mico ist jetzt einem hysterischen Anfall nahe, hält sich die Brust und beginnt nach Luft zu schnappen. Barmelain springt auf, um ihrer Freundin zu helfen. „Weg! Greif mich nicht an!“ Mico schreit. Ihr Brustkorb schnürt sie ein. Sie steht an die Mauer gepresst und hält sich mit ausgestreckten Armen Barmelain vom Leib. „Ganz ruhig! Atme regelmäßig. Das ist nur Einbildung, dass du keine Luft kriegst! Komm, setz dich.“ „Nein!“ überschlägt sich Mico, ihre Augen weit aufgerissen. Tisa staunt über diese Augen und denkt hektisch nach, was bei einem Asthmaanfall zu tun sei. Mico fällt zu Boden und windet sich. Tisa will sie umarmen, aber Mico schreit, strampelt keuchend und stößt Tisa mit Händen und Füßen von sich. „Ist ja gut! Ich setz mich und greif dich nicht an.“ „Aber Mico, bitte beruhig dich. Leg dich auf den Rücken. Je mehr du dich verkrampfst, desto schlimmer wird's. Bitte! Barmelain, hol schnell das Pulminon!“ Die Hocker fallen zu Boden. „Nein!“ kreischt Mico und langt nach der Tür. „Ich muss nach draußen!“ Sie tritt mit ihrem Fuß so heftig in die Tür, dass das Glas bricht. Mit einer Hechtrolle springt sie durch den Türrahmen ins Freie, ins Dunkle. Sie kühlt ihren heißgelaufenen Körper im Regen, im Wasser.
Natürlich denken die anderen, dass Mico sofort wiederkommen wird. Ihr nachzufolgen, im Wasser hinterher zu waten, hat wohl keinen Sinn. Ihr wird verdammt kalt sein. Sie rufen nach der Freundin in die Nacht hinein und ihre Augen suchen die Wasseroberfläche ab. Der Holzstapel ist weg!
„Ganz ruhig! Atme regelmäßig. Die Dauer der Behandlung beträgt etwa drei bis vier Wochen, manchmal länger. Es wird dir bald besser gehen. Du hast die ersten richtigen Schritte gesetzt. Jetzt kann der Heilungsprozess eingeleitet werden.“
Tisa beginnt die ersten auf dem Wasser treibenden Holzstücke wahrzunehmen. Eins, zwei, vier - ringsum lauter driftende Hölzer, die wild auf und ab schaukeln. Tisa fühlt, dass auch sie auf und ab schaukelt. Der Caravan steht nicht länger auf der Betonfläche geparkt, sondern treibt ziellos und ankerlos auf dem Wasser.
Xüla springt. Sie weiß, dass sie vorerst eine elendiglich weite Strecke an verödeten Meeresböden zu überqueren hat. Sie schwimmt so schnell sie kann und liebt es zunehmend, sich dicht entlang der Oberfläche des Meeresgrundes zu halten. Mit instinktiver Vorsicht trägt sie ihren wachsenden Bauch über endlose zerklüftete Oberflächen hinweg. Die Fäden der Peitschenquallen schlingen sich in alle Richtungen. Pralis warnt sie: „Wenn ihr uns wehtut, bekommt ihr Migräne, Epilepsie und systemischen Lupus erythematodes!“ „Was ist das Letzte?“ „Eine bestimmte sehr unangenehme Erkrankung des Immunsystems.“
Die Lebewesen dort unten fragen sie, was ihre Mission sei.
„Ich habe keine Mission, bin nicht zu Besuch hier. Ich lebe jetzt hier.“
„Wer bist du? Woher kommst du?“
„Ich kann mich nicht erinnern, weiß es nicht. Jedenfalls bin ich hier nicht zu Gast und erzähle euch nichts von fremden Welten. Nebenbei gesagt, ich leide an Anämie und Amnesie. Weder bringe ich Geschenke vom Land, vom Himmel, noch bin hier auf Urlaub oder Exkursion. Ich gebe keine Versprechen. Und auch vor euren bezahnten Freunden oder Feinden verstecke ich mich nicht, denn ich habe keine Feinde, keine Freunde und keine Angst, von jemandem hier unten vergiftet, zerrissen oder durchbohrt zu werden. Ich lebe, ohne mich zu verstecken, ohne mich in Camouflage zu hüllen, ohne in den Sand zu verschwinden, wenn's gefährlich wird. Was ist Gefahr?“
„Hast du keinen Überlebensinstinkt? Willst du denn nicht leben? Lebst du?“
„Das weiß ich nicht. Ich ernähre mich von Würmern und anderen wirbellosen zentral wirksamen Schmerzmitteln. Zudem rupfe ich Seegras, um zerebrale Krampfanfälle zu vermeiden. Ich stoße meine Exkremente aus und ich schlafe. Ich suche nichts Spezielles, wenn ich durch das Dunkel segle. Jedoch zeigt sich eine erhöhte Kampfbereitschaft.“
„Wie tief kannst du gehen?“ „So tief ich will. Der Druck des Wassers hat keinen bedrohlichen Einfluss auf mich.“ „Gibst du mir was von deinem Pranciton?“ „Ich hab kein Pranciton.“ „Ja, aber du wirkst so gelassen, was bei dem Zustand deines Körpers eigentlich unverständlich ist.“ „Wieso? Was ist los mit meinem Körper?“ „Dir fehlt ein Bein.“ „Du spinnst! Das bildest du dir ein!“ Ein Asselkrebs will Xüla etwas bezüglich des Textes in der Packungsbeilage fragen. Pralis verschlingt ihn sofort. Die Angler- und Teleskopaugenfische nicken traurig. Pralis ist ihnen noch immer eine Nummer zu groß. Außerdem würden sie nach der Verdauung ihres Körpers womöglich unter Palpitationen, Herzrhythmusstörungen, Parästhesie und Asthenie leiden.
den kreisrunden Todengwalzer tanzen
Ich bin der Professor, Primarius, erprobter Empirist.
Ihr seid meine Studenten.
Wir befinden uns unter den gigantischen Blättern der Todengpflanzen.
Der Professor breitet seine Arme aus: Zunächst werde ich den kreisrunden Todengwalzer tanzen.
Seht, wie ich im Mondschein von einem Bein aufs andere trete.
Seht, ich wiege mich im Dreitakt, sachte schaukelnd wie ein Schiff auf großem Meerbusen.
Würde der Professor nun hinfallen, so könnte er durch die toxischen Substanzen im Boden Verätzungen zweiten Grades davontragen.
Die Säuren fressen sich tief in das organische Gewebe.
Die Studenten beobachten ihn im Mondschein.
Verehrte Kollegen!
Unter den gigantischen Todengblättern senken sie die Blicke und stochern mit beweglichen Zehen in der toxischen Erde und summen vor sich hin.
Als alter Empirist möchte ich Sie hier und heute dazu einladen, Zeugen eines einmaligen Experiments zu werden.
Stellen Sie sich dazu bitte in einem Halbkreis auf.
Der Primar beugt seinen Oberkörper nach vorne und geht dabei leicht in die Knie.
Sein Kopf streift die rhinozeroshautartige Oberfläche eines Todengblatts.
Die Pflanzen werfen langgezogene Schatten auf ihn.
Der Professor hat rote Beine.
Die Studenten haben goldene Beine.
Die Jungmediziner stehen im Halbkreis und singen:
Es gibt sie in allen Farben und Formen. Und es geht sich einfach herrlich damit!
Sie sind leichter als unsere ehemaligen organischen Beine.
Wir haben einen beschwingten eleganten Gang.
Die Mobilität der Kniegelenke ist enorm und die Sprungfederung der Fußgelenke allgemein erfreulich.
Wir können sehr hoch springen, wenn wir wollen.
Alle tragen Integrationsprothesen. Professoren, Studenten, Patienten...
Heutzutage lässt sich jeder nach der Beinamputation die Prothesen direkt in den Oberschenkelknochen einschrauben.
Die Massenproduktion der dafür benötigten spezifischen multiutilen Permanent-Materialien stellt kein Problem mehr dar.
Nur in 2% der Fälle treten Komplikationen in der Verbindung zwischen organischer Materie und dem Kunststoffprodukt auf.
Alle tragen Integrationsprothesen. Professoren, Studenten, Patienten...
Der Primar steht unter einem enormen Todengblatt.
Hört doch auf zu singen! Seht mich an.
Er breitet dir Arme aus.
Geschätzte Kollegen! Ich werde nun den kreisrunden Todengwalzer tanzen.
Der Primar beugt seinen Oberkörper nach vorne und geht dabei leicht in die Knie.
Sein Kopf streift das riesige Todengblatt.
Sein weißer Arztkittel liegt in einer Falte über seinem Rücken.
Seine Hoden lugen hervor und werden vom Mond beschienen.
Seht, wie ich von einem Bein aufs andere trete.
Seht, ich wiege mich im Dreitakt, sachte schaukelnd wie ein Schiff auf großem Meerbusen.
Beobachtet, wie ich mich so dem Rhythmus der Pflanzen annähere.
Beobachtet meine roten Füße.
Es ist allgemein üblich geworden, die organischen Beine, diese gefährdeten und letztlich gefährlichen Gliedmaßen abzunehmen, sobald die jeweilige Person ausgewachsen ist.
Diese Vorgehensweise erspart es vielen, Zeugen des langsamen und schmerzhaften Absterbens ihrer Beine zu werden.
Die Integrationsprothesen werden direkt in den Femurknochen eingeschraubt.
Nur in 2% der Fälle treten Komplikationen in der Verbindung zwischen organischer Materie und dem Kunststoffprodukt auf.
Es gibt sie in allen erdenklichen Farben und Formen.
Sie sind leichter als organische Beine.
Der Professor tanzt in weißem Arztkittel und mit Schutzfilter um den Mund den Todengwalzer.
Er wiegt sich im Dreitakt.
Während sich der Professor unter den gigantischen Todengblättern langsam im Kreis dreht, können alle Studenten der Reihe nach einen guten Einblick in Beschaffenheit, Größe und Form der zwei baumelnden Eier gewinnen.
Wie Sie bereits wissen – ruft der Professor, während er weitertanzt - wurden in den vergangenen zwanzig Jahren vermehrt Todengwälder auf europäischem Gebiet gepflanzt.
Eine der bemerkenswerten Eigenschaften dieser Pflanze ist, dass sie aus jedem noch so hochgradig toxischen Boden ihre Nahrung filtern kann...
Die Blätter des Todeng sind riesig.
Vom Nachtwind bewegt wippen sie sachte auf und ab.
Während Millionen haarfeiner Wurzelenden mühevoll an dem toxischen Erdboden saugen, drängen die restlichen lebenserhaltenden Nährsysteme der Pflanzen in Richtung Mondlicht.
Die Nährstoffe haben, bevor sie in die Blattperipherien weitergeleitet werden, einen komplizierten Filterungsvorgang zu durchlaufen, der Mondlicht voraussetzt.
Verehrte Kollegen! Als alter Empirist möchte ich sie hier und heute dazu einladen, Zeugen dieses nächtlichen Experiments zu werden.
Die Studenten stehen wartend um ihren Professor.
Zunächst werde ich – er breitet die Arme aus - den kreisrunden Todengwalzer tanzen.
Schon wieder? Die Studenten sehen sich an.
Wann beginnt eigentlich das Experiment?
Seien Sie doch nicht so kryptisch, Herr Professor!
Der Professor beginnt wieder zu tanzen.
Ach, ich spüre schon das erste Keimen! ruft er und dreht sich im Kreis.
Seine Hoden streifen einen riesigen Blütenkolben.
In mir windet und dreht es sich, berührt hier meinen Darm, dort sachte die Leber. Bald wird aus mir das pure Leben treten!
Die Jungmediziner runzeln die Stirn. Was soll das bedeuten?
Und was bedeutet Ihre interessante Demonstration auf die Todengpflanze angewendet?
Der Professor atmet stoßweise.
Seht, wie ich mich dem Rhythmus der Pflanzen annähere.
Seht, wie ich mich dem Todengwald und dem Dschungel Eurer Präsenz schmelzend hingebe.
Seht, wie die hoch aufgeschossenen Todengstauden mit mir zu beben beginnen.
Beobachtet meine roten Füße.
Beobachtet meine Brustwarzen, diese hoffenden Knospen. Eure Zeugenschaft... ach, mir wird ganz schwindlig.
Die Studenten werden nervös: Geschätzter Professor, sind Sie nicht eventuell Opfer einer pflanzlich induzierten Scheinschwangerschaft geworden?
Verwechseln wir doch bitte nicht wissenschaftliches Experimentieren mit einem Trick!
Der Primar dreht sich schneller und schneller im Kreis.
Er atmet stoßweise. Er hat Schaum vor dem Mund.
Er reißt sich den Arztkittel vom Leib.
Seine Hüften vibrieren.
Zuckend wirft er die Arme nach oben.
Aus seinen Brüsten schießen Fontänen milchiger Flüssigkeit.
Ein weißes Blitzen durchfährt seine Augen.
Die Beine des Professors beginnen zu glühen.
Die Wurzeln und Stämme der ihn umgebenden Todengpflanzen glühen.
Der Boden um den Professor beginnt zu glühen.
Die Studenten treten zurück.
Der Professor dreht schneller und schneller.
Seine Integrationsprothesen schmelzen nicht.
Zu Hilfe, der Primar droht zu fallen!
Würde der Professor nun hinfallen, so könnte er durch die toxischen Substanzen im Boden Verätzungen zweiten Grades davontragen.
Die Säuren fressen sich tief in das organische Gewebe.
Das Glühen des Bodens verebbt.
Der Professor kann die Bewegungen seiner Beine nicht mehr steuern!
Fast schleudert es ihn hin.
Seine Prothesen! Die Studenten stürzen zu ihm.
Vor dem Fall kann er sich gerade noch an einem Todengast festhalten.
Ein Blick auf die Beine des Professors liefert den Beweis.
Seine Integrationsprothesen verlieren ihren Halt im Oberschenkelknochen!
Der Professor hievt sich auf den Todengast und hängt nun kopfüber im Mondschein.
Er fühlt, wie die weichen Dornen des Astes gegen seinen Bauch drücken.
Herr Professor! Die Studenten rufen ratlos durcheinander.
Einige wollen ihn von der Todengpflanze lösen, ihn schleunigst aus dem Wald fortschaffen.
Lasst mich! Seht Ihr denn nicht? Bald wird aus mir das pure Leben treten!
Über die Wangen des Professors laufen Freudentränen.
Bald werden mein lieben Todengkinder mich mit dem Erdboden verwurzeln!
Seht ihr nicht, wie sich ihre Köpflein recken, wie sie die Prothesen aus meinen Knochen treiben?
Tatsächlich. Seine Integrationsprothesen drehen sich, wie von unsichtbarer Hand bewegt, aus dem Femurknochen.
Schließlich lösen sie sich endgültig und fallen dumpf auf den Erdboden.
Sie rollen unter ein riesiges Todengblatt.
Aus den Beinstümpfen des Professors rinnt Blut.
Verehrte Kollegen! Der Professor breitet kopfüber hängend die Arme aus.
Seine Fingerspitzen berühren beinahe den toxischen Erdboden.
Werden sie nun Zeugen der ersten Todeng-Geburt!
Bleiben Sie bei mir, um bei diesem wunderbaren Vorgang zu assistieren.
Die Studenten haben sich gefasst und kommen interessiert näher.
Sie bestaunen die feinen wurzelartigen Todengtriebe, wie sie aus den Beinstümpfen des Primars treten.
Ich werde jetzt durch gleichmäßiges Atmen die Keimlinge in ihrem Streben, nach Außen zu dringen, ermutigen und so den Prozess beschleunigen.
Meine geliebten Todengkinder werden rasch wachsen.
Und wer weiß, wie hoch ich schließlich zwischen den Baumkronen schweben, mich inmitten ihrer Wipfel im Wind wiegen werde.
Wir befinden uns unter den gigantischen Blättern der Todengpflanzen.
Der Professor breitet seine Arme aus: Zunächst werde ich den kreisrunden Todengwalzer tanzen.
Seht, wie ich im Mondschein von einem Bein aufs andere trete.
Seht, ich wiege mich im Dreitakt, sachte schaukelnd wie ein Schiff auf großem Meerbusen.
Würde der Professor nun hinfallen, so könnte er durch die toxischen Substanzen im Boden Verätzungen zweiten Grades davontragen.
Die Säuren fressen sich tief in das organische Gewebe.
Die Studenten beobachten ihn im Mondschein.
Verehrte Kollegen!
Unter den gigantischen Todengblättern senken sie die Blicke und stochern mit beweglichen Zehen in der toxischen Erde und summen vor sich hin.
Als alter Empirist möchte ich Sie hier und heute dazu einladen, Zeugen eines einmaligen Experiments zu werden.
Stellen Sie sich dazu bitte in einem Halbkreis auf.
Der Primar beugt seinen Oberkörper nach vorne und geht dabei leicht in die Knie.
Sein Kopf streift die rhinozeroshautartige Oberfläche eines Todengblatts.
Die Pflanzen werfen langgezogene Schatten auf ihn.
Der Professor hat rote Beine.
Die Studenten haben goldene Beine.
Die Jungmediziner stehen im Halbkreis und singen:
Es gibt sie in allen Farben und Formen. Und es geht sich einfach herrlich damit!
Sie sind leichter als unsere ehemaligen organischen Beine.
Wir haben einen beschwingten eleganten Gang.
Die Mobilität der Kniegelenke ist enorm und die Sprungfederung der Fußgelenke allgemein erfreulich.
Wir können sehr hoch springen, wenn wir wollen.
Alle tragen Integrationsprothesen. Professoren, Studenten, Patienten...
Heutzutage lässt sich jeder nach der Beinamputation die Prothesen direkt in den Oberschenkelknochen einschrauben.
Die Massenproduktion der dafür benötigten spezifischen multiutilen Permanent-Materialien stellt kein Problem mehr dar.
Nur in 2% der Fälle treten Komplikationen in der Verbindung zwischen organischer Materie und dem Kunststoffprodukt auf.
Alle tragen Integrationsprothesen. Professoren, Studenten, Patienten...
Der Primar steht unter einem enormen Todengblatt.
Hört doch auf zu singen! Seht mich an.
Er breitet dir Arme aus.
Geschätzte Kollegen! Ich werde nun den kreisrunden Todengwalzer tanzen.
Der Primar beugt seinen Oberkörper nach vorne und geht dabei leicht in die Knie.
Sein Kopf streift das riesige Todengblatt.
Sein weißer Arztkittel liegt in einer Falte über seinem Rücken.
Seine Hoden lugen hervor und werden vom Mond beschienen.
Seht, wie ich von einem Bein aufs andere trete.
Seht, ich wiege mich im Dreitakt, sachte schaukelnd wie ein Schiff auf großem Meerbusen.
Beobachtet, wie ich mich so dem Rhythmus der Pflanzen annähere.
Beobachtet meine roten Füße.
Es ist allgemein üblich geworden, die organischen Beine, diese gefährdeten und letztlich gefährlichen Gliedmaßen abzunehmen, sobald die jeweilige Person ausgewachsen ist.
Diese Vorgehensweise erspart es vielen, Zeugen des langsamen und schmerzhaften Absterbens ihrer Beine zu werden.
Die Integrationsprothesen werden direkt in den Femurknochen eingeschraubt.
Nur in 2% der Fälle treten Komplikationen in der Verbindung zwischen organischer Materie und dem Kunststoffprodukt auf.
Es gibt sie in allen erdenklichen Farben und Formen.
Sie sind leichter als organische Beine.
Der Professor tanzt in weißem Arztkittel und mit Schutzfilter um den Mund den Todengwalzer.
Er wiegt sich im Dreitakt.
Während sich der Professor unter den gigantischen Todengblättern langsam im Kreis dreht, können alle Studenten der Reihe nach einen guten Einblick in Beschaffenheit, Größe und Form der zwei baumelnden Eier gewinnen.
Wie Sie bereits wissen – ruft der Professor, während er weitertanzt - wurden in den vergangenen zwanzig Jahren vermehrt Todengwälder auf europäischem Gebiet gepflanzt.
Eine der bemerkenswerten Eigenschaften dieser Pflanze ist, dass sie aus jedem noch so hochgradig toxischen Boden ihre Nahrung filtern kann...
Die Blätter des Todeng sind riesig.
Vom Nachtwind bewegt wippen sie sachte auf und ab.
Während Millionen haarfeiner Wurzelenden mühevoll an dem toxischen Erdboden saugen, drängen die restlichen lebenserhaltenden Nährsysteme der Pflanzen in Richtung Mondlicht.
Die Nährstoffe haben, bevor sie in die Blattperipherien weitergeleitet werden, einen komplizierten Filterungsvorgang zu durchlaufen, der Mondlicht voraussetzt.
Verehrte Kollegen! Als alter Empirist möchte ich sie hier und heute dazu einladen, Zeugen dieses nächtlichen Experiments zu werden.
Die Studenten stehen wartend um ihren Professor.
Zunächst werde ich – er breitet die Arme aus - den kreisrunden Todengwalzer tanzen.
Schon wieder? Die Studenten sehen sich an.
Wann beginnt eigentlich das Experiment?
Seien Sie doch nicht so kryptisch, Herr Professor!
Der Professor beginnt wieder zu tanzen.
Ach, ich spüre schon das erste Keimen! ruft er und dreht sich im Kreis.
Seine Hoden streifen einen riesigen Blütenkolben.
In mir windet und dreht es sich, berührt hier meinen Darm, dort sachte die Leber. Bald wird aus mir das pure Leben treten!
Die Jungmediziner runzeln die Stirn. Was soll das bedeuten?
Und was bedeutet Ihre interessante Demonstration auf die Todengpflanze angewendet?
Der Professor atmet stoßweise.
Seht, wie ich mich dem Rhythmus der Pflanzen annähere.
Seht, wie ich mich dem Todengwald und dem Dschungel Eurer Präsenz schmelzend hingebe.
Seht, wie die hoch aufgeschossenen Todengstauden mit mir zu beben beginnen.
Beobachtet meine roten Füße.
Beobachtet meine Brustwarzen, diese hoffenden Knospen. Eure Zeugenschaft... ach, mir wird ganz schwindlig.
Die Studenten werden nervös: Geschätzter Professor, sind Sie nicht eventuell Opfer einer pflanzlich induzierten Scheinschwangerschaft geworden?
Verwechseln wir doch bitte nicht wissenschaftliches Experimentieren mit einem Trick!
Der Primar dreht sich schneller und schneller im Kreis.
Er atmet stoßweise. Er hat Schaum vor dem Mund.
Er reißt sich den Arztkittel vom Leib.
Seine Hüften vibrieren.
Zuckend wirft er die Arme nach oben.
Aus seinen Brüsten schießen Fontänen milchiger Flüssigkeit.
Ein weißes Blitzen durchfährt seine Augen.
Die Beine des Professors beginnen zu glühen.
Die Wurzeln und Stämme der ihn umgebenden Todengpflanzen glühen.
Der Boden um den Professor beginnt zu glühen.
Die Studenten treten zurück.
Der Professor dreht schneller und schneller.
Seine Integrationsprothesen schmelzen nicht.
Zu Hilfe, der Primar droht zu fallen!
Würde der Professor nun hinfallen, so könnte er durch die toxischen Substanzen im Boden Verätzungen zweiten Grades davontragen.
Die Säuren fressen sich tief in das organische Gewebe.
Das Glühen des Bodens verebbt.
Der Professor kann die Bewegungen seiner Beine nicht mehr steuern!
Fast schleudert es ihn hin.
Seine Prothesen! Die Studenten stürzen zu ihm.
Vor dem Fall kann er sich gerade noch an einem Todengast festhalten.
Ein Blick auf die Beine des Professors liefert den Beweis.
Seine Integrationsprothesen verlieren ihren Halt im Oberschenkelknochen!
Der Professor hievt sich auf den Todengast und hängt nun kopfüber im Mondschein.
Er fühlt, wie die weichen Dornen des Astes gegen seinen Bauch drücken.
Herr Professor! Die Studenten rufen ratlos durcheinander.
Einige wollen ihn von der Todengpflanze lösen, ihn schleunigst aus dem Wald fortschaffen.
Lasst mich! Seht Ihr denn nicht? Bald wird aus mir das pure Leben treten!
Über die Wangen des Professors laufen Freudentränen.
Bald werden mein lieben Todengkinder mich mit dem Erdboden verwurzeln!
Seht ihr nicht, wie sich ihre Köpflein recken, wie sie die Prothesen aus meinen Knochen treiben?
Tatsächlich. Seine Integrationsprothesen drehen sich, wie von unsichtbarer Hand bewegt, aus dem Femurknochen.
Schließlich lösen sie sich endgültig und fallen dumpf auf den Erdboden.
Sie rollen unter ein riesiges Todengblatt.
Aus den Beinstümpfen des Professors rinnt Blut.
Verehrte Kollegen! Der Professor breitet kopfüber hängend die Arme aus.
Seine Fingerspitzen berühren beinahe den toxischen Erdboden.
Werden sie nun Zeugen der ersten Todeng-Geburt!
Bleiben Sie bei mir, um bei diesem wunderbaren Vorgang zu assistieren.
Die Studenten haben sich gefasst und kommen interessiert näher.
Sie bestaunen die feinen wurzelartigen Todengtriebe, wie sie aus den Beinstümpfen des Primars treten.
Ich werde jetzt durch gleichmäßiges Atmen die Keimlinge in ihrem Streben, nach Außen zu dringen, ermutigen und so den Prozess beschleunigen.
Meine geliebten Todengkinder werden rasch wachsen.
Und wer weiß, wie hoch ich schließlich zwischen den Baumkronen schweben, mich inmitten ihrer Wipfel im Wind wiegen werde.